Am Dollar festgekrallt


Basketball-Star Kawhi Leonard soll dank einer geschickten Manipulation bei den L.A. Clippers die Gehaltsobergrenze der NBA umgangen haben. Im Zentrum der Affäre steht einer der reichsten Männer der Welt.

24 Sep 2025
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Von Jürgen Kalwa, New York

Sein Vorname ist nicht ganz leicht zu buchstabieren. Denn es handelt sich um eine phantasievolle Kreation, mit der sein Vater seinem Sohn den Anstrich des Besonderen auf den Lebensweg mitgeben wollte. Doch zwanzig Jahre später hatte Kawhi Leonard längst etwas anderes entwickelt, womit er sich einen Namen machen würde: mit der Spannweite seiner Arme, 2,20 Meter. Sie wurden die Inspiration für den einprägsamen Spitznamen „Klaw“, einer Verballhornung des englischen Wortes „claw“. Klaue. Die Kreation wirkte so griffig, dass sein erster Werbepartner Nike daraus ein Wortspiel und ein eigenes Logo entwickelte. Es zeigte eine stilisierte Hand mit den eingewobenen Initialen K und L. Mit diesen beiden Klauen griff Kawhi Leonard sich einen Ball nach dem nächsten, fing Pass um Pass ab. Er wurde zum besten Verteidiger der US-Basketballliga NBA, und er teilte aus mit seinen Klauen, wie 2014, als er mit den San Antonio Spurs zum ersten Mal NBA-Champion und wertvollster Spieler der Finalserie wurde. 2019 gelang ihm das Gleiche mit den Toronto Raptors.Foto Picture AllianceTodsünde in der NBA: Leonard wird vorgeworfen, mit Unterstützung von Tech-Milliardär Steven Balmer regelwidrig dazuverdient zu haben.

Die Statistik unterstreicht seine Qualitäten. Im Verlauf seiner NBA-Karriere kam er für jemanden auf seiner Position – Small Forward – auf eine Trefferquote von bemerkenswerten 49,9 Prozent. Dazu die überdurchschnittlichen 39,2 Prozent von jenseits der Dreipunktelinie. Leonard wurde aber nicht nur fürs Geben bekannt, sondern auch fürs Nehmen. Im Jahr nach seinem ersten NBA-Titel wurde er zum besten Balldieb der Liga. Der inzwischen 34 Jahre alte Basketballstar erwarb sich zugleich den Ruf, nicht nur sparsam zu sein, sondern mit seinen Händen auch so viele Dollar wie möglich einzustecken.

Als sein Onkel und Berater Dennis Robertson 2019 parallel mit drei NBATeams über einen neuen Vertrag verhandelte, ging es Berichten zufolge nicht nur um Höhe und Laufzeit des Gehalts. Dem Ligamanagement wurde eine Liste von Forderungen vermeldet – darunter Teamanteile, ein Privatflugzeug, ein Haus sowie Geld aus Werbeverträgen. Jedes einzelne Ansinnen ein Verstoß gegen das tarifvertraglich abgesicherte Gehaltssystem der Liga mit seinen Beschränkungen wie etwa der sogenannten Salary Cap. Trotz des konkreten Verdachts fand eine interne NBA-Untersuchung keine Belege dafür, dass ihm die Los Angeles Clippers, bei denen er unterschrieb, das üppige 34,3 Millionen Jahressalär (rund 29 Millionen Euro) tatsächlich auf eine solche Weise aufgestockt hätten. Doch seit einigen Wochen erhärten sich die Indizien, dass Leonard für seine Zusage regelwidrig eine verdeckte, stattliche Bonuszuwendung erhielt.

Der Sportjournalist und Podcaster Pablo Torre war bei Recherchen auf Dokumente und Zeugen gestoßen, die den Mutmaßungen von einst neue, handfeste Nahrung gaben. Im Zentrum? Einer der reichsten Menschen der Welt: Teambesitzer Steve Ballmer, der sein Milliardenvermögen als Vorstandsvorsitzender des Technologiekonzerns Microsoft gemacht hatte und den Kontakt zwischen Leonard und einer Firma namens Aspiration einfädelte. Das Unternehmen gab dem Spieler einen Werbevertrag über 28 Millionen Dollar (rund 23,7 Millionen Euro), für die er keinen Handschlag tun musste. Das Papier, dessen Existenz nie offiziell publiziert wurde, sicherte Leonard zu, er könne „jede Aktivität ablehnen, die sich die Firma von ihm wünscht“. Die Vereinbarung enthielt außerdem eine Kündigungsklausel, die andeutete, um was es bei dem Arrangement wirklich ging. Die Abmachung werde in dem Moment hinfällig, in dem „Leonard nicht länger beim Team angestellt ist“. Das Start-up, das Investoren in Amerika mit Ökobank- und Klimaschutzambitionen köderte, gab sich als Werkzeug bei dem Bestreben zu erkennen, das Gehaltssystem der NBA auszuhebeln.

Für den Geschäftsführer der Liga, Adam Silver, gehören solche Manipulationen zu den Todsünden des hochkommerziellen Sportbetriebs. Weshalb sie je nach Schwere unterschiedliche Strafen nach sich ziehen können. Sie reichen von der Suspendierung von Teamverantwortlichen, dem Entzug von Draftrechten bis hin zu einer Auflösung des Vertrags mit dem betreffenden Spieler. Vielleicht wäre der Vorgang nie ans Tageslicht gekommen, wenn Aspiration, in das Ballmer im Rahmen von zwei Transaktionen 61 Millionen

Dollar (51,7 Millionen Euro) investiert hatte, nicht im Frühjahr Konkurs angemeldet hätte. Und wenn der inzwischen geständige Firmengründer Joseph Sanberg nicht von der Bundesstaatsanwaltschaft in Los Angeles wegen Betrugs angeklagt worden wäre.

Als das erste Schlagzeilengewitter den Komplex ins Licht rückte, versicherte der Clippers-Eigentümer in einem Interview mit dem Fernsehsender ESPN: Er habe von dem Vertrag zwischen Aspiration und seinem Starspieler nichts gewusst: „Wir waren nicht involviert“, sagte er: „Ich habe irgendwann von dem Vertrag erfahren. Aber ich habe keine Ahnung, um was dabei geht.“Er fühle sich als Opfer: „Sie haben mich reingelegt.“

Das wirkt inzwischen nicht mehr ganz so plausibel, denn Pablo Torre schob neues Beweismaterial nach. Darunter das delikate Detail, dass Dennis Wong, Ballmers Juniorpartner bei den Clippers und guter Freund seit gemeinsamen Studientagen in Harvard, kurz vor der Aspiration-Pleite noch zwei Millionen Dollar (1,7 Millionen Euro) in das Unternehmen investiert hatte. Vor allem der zeitliche Zusammenhang wirkt kurios: Leonards Onkel hatte kurz zuvor bei Aspiration eine säumige Ratenzahlung angemahnt. Die illiquide Firma nutzte Wongs Zahlung, um den Spieler kurz darauf zufriedenzustellen. Der schweigt bislang zu den Vorwürfen, obwohl er mit einer ausstehenden Summe von sieben Millionen Dollar (5,9 Millionen Euro) auf Platz vier der Schuldenrangliste der Gläubigerliste des Konkursgerichts steht. Auf Platz eins? Die Los Angeles

Clippers mit 30 Millionen Dollar (24,5 Millionen Euro). Auf Platz zwei: der Betreiber der Sporthalle, in der das Team spielt, mit 10,9 Millionen Dollar (9,2 Millionen Euro).

Alles abzustreiten oder zu ignorieren, scheint als PR-Strategie nicht zu funktionieren. Schon gar nicht im Fall von Leonard, dessen Auftreten in der Öffentlichkeit eine seltene Mischung aus introvertiertem und selbstbewussten Verhalten ist und in den amerikanischen Medien bisweilen negativen Widerhall produziert. Auch weil Leonard sich im Lauf seiner Karriere immer wieder ohne größere Erklärungen Auszeiten nahm und Spiele verpasste. Der Basketballer ist in seinen Jahren in der NBA bei 45 Prozent aller Pflichtspiele und 30 Prozent aller Play-off-Begegnungen seiner Teams aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen. Die Länge und Ursache der Verletzungspausen wirkte manchmal mysteriös, tznak oft nicht deutlich kommuniziert wurde, was den Star ausbremste. Nachdem die Führung des amerikanischen Basketballverbandes ihn im ersten Trainingslager vor den Olympischen Spielen 2024 vier Tage beobachtet hatten, erklärte Chefmanager Grant Hill, es sei „in unserem besten Interesse, aber auch im besten Interesse der Clippers und von Kawhi“, eine andere Lösung zu finden. Man nahm ihn nicht nach Paris mit.

Auch diesmal wird die Lösung nicht in Leonards großen Händen liegen. Die NBA hat dieselbe Anwaltskanzlei mit der Untersuchung beauftragt, die sie bereits bei anderen höchst heiklen Fällen verpflichtet hatte. Was zweimal schlecht für den betreffenden Teambesitzer ausging, der ins Zwielicht geraten war. Beide wurden von der Liga gezwungen, die Mannschaft zu verkaufen.

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