Abschied von einer Ikone
Bis zum Schluss ein Held
Er prägte das Kino wie kaum ein anderer Hollywood-Star. Am Donnerstag ist Robert Redford im Alter von 89 Jahren gestorben. Nachruf auf eine Legende –
"Er ist das Gegenteil eines Schauspielers,
der proben und Dinge festlegen will."
- Sydney Pollack über Robert Redford
17 Sep 2025 - Der Tagesspiegel
Von Andreas Busche
Beim Vorsprechen für seinen ersten Job in Hollywood wurde Robert Redford noch vom Hof gejagt. Der 15-jährige Robert, geboren 1936 in Santa Monica, sozusagen in Sichtweite der Traumfabrik, wollte sich beim Film als Stuntman bewerben, ausgerechnet. Er war nach eigenem Bekunden ein renitenter Teenager gewesen, der mit Jugendbanden herumhing. Aber irgendwer in Hollywood schien damals schon ein gutes Gespür dafür gehabt zu haben, dass dieser Bursche für die Rolle als „Leading Man“prädestiniert war – und sich nicht, so geht der Spruch in Hollywood, anstelle des Stars ein paar gebrochene Rippen einhandeln und zusehen sollte, wie der Held am Schluss die Frau küsst.Robert Redford wurde am18. August1936inSanta Monica bei Los Angeles geboren.
Mit einer Karriere, die gut sechzig Jahre umfasst – seine erste große Kinorolle hatte er 1966 in „Ein Mann wird gejagt“als flüchtiger Krimineller –, verkörpert Robert Redford wie nur wenige andere Hollywood – und Amerika. Er war mehr als ein Filmstar, er war eine Persönlichkeit von seltener Integrität, in seiner Arbeit und in seinem Wirken abseits der Leinwand. Mit seinem blendenden Aussehen, dem gewinnenden Lächeln, wurde er zur amerikanischen Ikone, auch wenn die Diskrepanz zwischen seiner Vorstellung dieses Amerikas und den realen Verhältnissen ihn immer wieder dazu bewegt hat, sich diesem Klischee zu widersetzen.
Redford hatte eine gesunde Skepsis gegenüber Hollywood
In den 1960er-Jahren lehnte der Regisseur Mike Nichols ihn für die Hauptrolle in „Die Reifeprüfung“mit einer naheliegenden Begründung ab: „Du kannst niemals einen Verlierer spielen.“Den Part bekam dann Dustin Hoffman. Auf der Leinwand strahlt Redford eine natürliche Autorität aus, aber er blieb gegenüber den Verlockungen des Mainstreamkinos stets skeptisch. Es ist geradezu eine Ironie der Geschichte, dass als letzter Eintrag in dieser imposanten Filmografie jetzt der Superheldenfilm „Avengers: Endgame“steht. Auf dem Höhepunkt von New Hollywood schlossen sich anspruchsvolles Erzählen und kommerzielles Kino allerdings auch noch nicht ganz so vehement aus wie heutzutage.
Doch selbst in dieser Phase, als Filmstars vom klassischen Kaliber im amerikanischen Kino immer weniger gefragt waren und die Geschichten eher von verwegenen Gestalten und Außenseitern mit den Gesichtern von Jack Nicholson, Gene Hackman und Robert de Niro handelten, fand Redford – sozusagen als Antipode zu dem ein Jahr jüngeren Sunnyboy Warren Beatty – eine Nische für sich. Er spielte in „Bill McKay – Der Kandidat“(1972) einen demokratischen Politiker, der im Betrieb von Washington
unter die Räder gerät, den Journalisten Bob Woodward im Watergate-Drama „Die Unbestechlichen“(1976) und in „Die drei Tage des Condor“(1975) einen unbescholtenen Geheimdienstmitarbeiter, der zufällig eine Verschwörung aufdeckt. Meilensteine der produktivsten Ära Hollywoods.
Redford war auf Helden wider Willen abonniert, was auch seine Jahrzehnte überdauernde Koketterie mit seiner Star-Persona erklärt. Er wusste, dass ihm die Welt zu Füßen lag. Die Rolle von Bob Woodward, dem er die Rechte an der Watergate-Geschichte abgekauft hatte, bevor sie ein politisches Beben auslöste, wollte er zunächst gar nicht selbst spielen und den Film – als Produzent – sogar in Schwarz-Weiß drehen. Aber das Studio bestand auf einem großen Namen vor der Kamera. Eitelkeit und Integrität bilden in Redfords Karriere eine Klammer; natürlich war ihm auch die Rolle des großen Gatsby (1974), ein anderer amerikanischer Archetypus, auf den Leib geschrieben. Dass 1977 der Oscar aber statt an „Die Unbestechlichen“an das Boxerdrama „Rocky“ging, hat er Hollywood lange nicht verziehen.
Sich nie festlegen lassen, lautete sein Motto
Was Redford als Schauspieler auszeichnete, hat der Regisseur Sydney Pollack, der sechs Filme mit ihm drehte, sehr treffend beschrieben. „Ich glaube nicht, dass die Arbeit einstudiert oder vorsätzlich ist“, erzählte er 2002 dem Branchenmagazin „Variety“. „Er ist das Gegenteil eines Schauspielers, der proben und Dinge festlegen will.“Redford gab sich nie mit dem Status quo zufrieden.
Wenn man ihn auf die Rolle des romantischen Frauenhelden festnageln wollte – erstmals 1973 in „So wie wir waren“an der Seite von Barbra Streisand, Mitte der 1980er wieder nach „Jenseits von Afrika“neben Meryl Streep –, drehte er Politdramen. Weil er mit dem Rummel um seine Person nichts anfangen konnte und gegen Ende 1970er-Jahre das ernste Handwerk in Hollywood immer weniger respektiert wurde, begann er, eigene Filme zu drehen. Gleich für sein Regiedebüt, das stille Familiendrama „Eine ganz normale Familie“, gewann er 1981 seinen einzigen Oscar. Und als er von Hollywood schließlich genug hatte, wandte er sich dem Umweltaktivismus zu.
Redfords größtes Werk aber entstand abseits von Hollywood. Schon Anfang der 1960er-Jahre hatte er sich im Bundesstaat Utah ein paar Hektar Land gekauft, eine Dekade später spielte er in dem Spätwestern „Jeremiah Johnson“einen Kriegsveteranen, der sich in die Rocky Mountains zurückzieht und diese prächtige Landschaft vom Gipfel der Welt aus betrachtet. Es war in gewisser Weise eine Lebensrolle, sein Umweltaktivismus wurde Redfords zweite Berufung, die auch das glamouröse Leben im Licht der Filmindustrie relativierte. Über drei Dekaden war er der Treuhänder des Natural Resources Defense Council, er kämpfte mit seinem Namen gegen Highways und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in Alaska.
Von Utah aus veränderte Redford Ende der 1980er-Jahre auch die Filmindustrie. 1981 hatte er in dem Winterressort Park City ein kleines Filmfestival übernommen und nach seinem berühmtesten Filmcharakter benannt: Sundance. Das Festival wurde zur Initialzündung für eine neue Generation von Filmemachern, nicht unähnlich des New-Hollywood-Booms zwanzig Jahre zuvor. Redford machte Sundance zur Brutkammer Hollywoods, jedes Jahr im Januar pilgerte die Branche plötzlich nach Park City, um das nächste große Regietalent unter Vertrag zu nehmen.
Die Ausbeute war beträchtlich: Quentin Tarantino, Steven Soderbergh, Robert Rodriguez, Darren Aronofsky, Barry Jenkins, Ryan Coogler, Chloé Zhao und Ava DuVernay starteten hier ihre Karrieren. Das Sundance Filmfestival und das angehängte Sundance Institute galten über zwanzig Jahre als wichtigster Branchentreff in den USA: Hier wurden Filme verkauft und man diskutierte, ganz im Sinne seines Gründers, über die Zukunft des Kinos.
Rückblickend eine fast unwirkliche Zeit; auch Redford hat sich in späteren Jahren über den Zirkus geärgert. Da lebte er längst zurückgezogen auf seiner Ranch in Utah und stand nur noch selten vor der Kamera. Seine letzte große Rolle unterstrich noch mal die ganze Gravitas des damals 77-Jährigen. In dem Ein-Personen-Drama „All is Lost“spielt Redford einen Segler, der nach einer Kollision mit seinem Boot hilflos auf hoher See herumdümpelt: wortlos, mit jeder Faser seines Körpers gegen die Widerstände kämpfend.
Am Donnerstag ist Robert Redford im Alter von 89 Jahren auf seiner Ranch in Utah gestorben.
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